Den Optimalfall kann sich denke ich jeder vorstellen: man fotografiert ein tolles Motiv in perfekten Bedingungen, kriegt alle Einstellungen in der Kamera auf Anhieb richtig hin und erreicht so ein Foto, das mit minimalem Aufwand in der Bildbearbeitung das bestmögliche Ergebnis ist. Nur leider tritt dieser Fall quasi nie ein, meistens sitzt man zumindest 10-15 Minuten pro Bild an der Bearbeitung und dreht noch an diesem und jenem Regler nur um sich dann entscheiden zu müssen ob man +10 oder doch lieber +11 Sättigung haben möchte. Was aber ist wenn ein Bild durch Faktoren der Technik mit einfachen Mitteln so gar nicht dem Eindruck vor Ort entsprechen möchte?

Mehr zu bearbeiten ist gerade in der Naturfotoszene recht verpöhnt; aber zu recht? Ich finde diese Frage lässt sich mit einem einfachen und eindeutigem Jein beantworten. Letztendlich bleibt es natürlich jedem selbst überlassen was er mit seiner Kunst anstellen möchte, was ja an sich auch etwas gutes ist und Vielfalt in der Szene schafft.

Die Kreativität fängt schon beim Weißabgleich an, hier habe ich „nur“ die Farben weiter ins Blaue gehen lassen

Der Fotograf nimmt sowieso schon sehr starken Einfluss auf das letztendliche Foto in dem Moment wenn er den Auslöser drückt, da er bewusst bestimmte Elemente in den Bildausschnitt mit aufnimmt oder eben auch herauslässt und so darüber entscheidet ob er jetzt einen Vogel in einer idyllisch blühenden Rose zeigt oder aber dass genau diese Rose mitten im Industriegebiet steht. Wo immer möglich entscheide ich mich eher für zweiteres, da es meiner Meinung ein besseres Bild der Geschichte vor Ort ist. Dadurch liegt es meist auch nahe, eher natürlich zu bearbeiten, aber auch der geringere Zeitaufwand ist immer ein guter Grund für mich.

Durch den sehr engen Ausschnitt wird das gesamte Bild in ein goldenes Licht getaucht, was in der Bildbearbeitung noch verstärkt wurde

Wenn aber die Kamera einfach nicht in der Lage ist, ein bestimmtes Gefühl von vor Ort oder in der Erinnerung an die Situation einzufangen bearbeite ich auch gerne mal meine Fotos etwas kreativer und freier von den in der Szene üblichen Konventionen. Natürlich kann ich es dann eventuell nicht in jedem Wettbewerb einreichen, aber in allererster Linie sollte die Kunst dem Künstler gefallen und Freude bereiten. Alleine deswegen bin ich gegen die allgemein vertretene Meinung dass jeder Eingriff der über Kontrast und Sättigung hinausgeht ausgeschlossen wird. Letztendlich sollte das aber jeder für sich entscheiden und im besten Fall auch offen kommunizieren um gerade bei Anfängern nicht das Bild einer perfekten Situation zu vermitteln, da das wahrscheinlich für die meisten Betrachter eher demoralisierend ist. Aber wie heißt es so schön — Leben und leben lassen 😉

Auch hier habe ich korrigierend eingegriffen und den ausgebrannten Bereich um die Sonne in ein angenehmes Orange geändert

Nächste Woche gehe ich genauer auf die Bearbeitung von diesem Bild ein:

Eine Wasseramsel im letzten Abendlicht