Hin und wieder kommt es vor, dass man seit vielen Jahren an Stellen vorbeifährt, die entweder ihr Potential noch nicht entfaltet haben als man „mal“ dort mehr Zeit verbracht hat oder einfach doch so versteckt liegen, dass man sie einfach übersieht. Genau so ging es mir mit diesem kleinen Schilfgebiet, an dem ich seit ca. 15 Jahren regelmäßig vorbeigefahren bin und es für fotografisch nicht besonders interessant erachtet habe.

Und mit klein meine ich wirklich klein; der Schilfgürtel geht entlang eines Zuflusses zu einem Fischteich, ist ca. 10 Meter breit und erstreckt sich über nicht einmal 100 Meter. Für die meisten Schilfbewohner also zu wenig, um sich dort heimisch zu fühlen. Dieses Jahr war ich aber konkret auf der Suche nach Rohrammer-Revieren, die es bei uns doch eher selten, und wenn dann nicht besonders fotogen, gibt. Aber so kam es, dass bei der Suche auf den Satellitenbildern der Umgebung mein Auge wieder einmal auf diesen kleinen Streifen fiel.

Kurz darauf hatte ich nach Feierabend Zeit, dem Ort einen kleinen Besuch abzustatten. Es hatte zwar den ganzen Tag hin und wieder geregnet, das Radar versprach aber eine Regenpause von mindestens vier Stunden. Also bin ich mit dem Fahrrad los, und hab zum Glück gerade noch rechtzeitig den kleinen Wald am Schilfrand erreicht, denn wie es immer so ist, ging der Regen wieder los. Und das natürlich in Strömen. Zum Glück hatte ich da schon ein halbwegs trockenes Plätzchen unter einer Fichte gefunden, von dem aus ich trotzdem einen guten Überblick über das Schilf hatte.

Nachdem ich im Regen die Rohrammer das erste mal kurz hatte singen hören, bin ich zwei Tage später gegen Abend wieder los, musste aber feststellen, dass es keine wirkliche Möglichkeit für Fotos im Gegenlicht gibt, was ich mir ursprünglich erhofft hatte. Also wechselte ich die Seite (mit ca. einem Kilometer Wegstrecke, kürzer ging es nicht) und konnte die ersten Rohrammerfotos an der Location machen, wenn auch dann nur mit Rückenlicht und für mich eher langweilig.

Zum Glück sollte es am Pfingstmontag morgens strahlend blauen Himmel bis acht Uhr morgens haben, mehr als genug Zeit um nach gerade einmal drei Stunden Schlaf die Sachen zu packen und im halb fünf wieder vor Ort zu sein. Lange rührte sich nichts, die Rohrammer ließ sich nur hin und wieder kurz an unguten Stellen blicken. Als ich eigentlich schon gedacht hatte, dass ich den richtigen Sonnenstand für heute verpasst hatte und eigentlich wieder gehen könnte, erhob sich der Bodennebel von der Wiese hinter dem Schilf um ein paar Meter und sorgte so für schon fast mystische Stimmung.

Zum Glück war er nicht dicht genug, sodass die Sonne trotzdem noch eine Chance hatte ihn zum leuchten zu bringen, aber er verdeckte alles was weiter hinten kam. Mit so einer Situation hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet, ich konnte eins meiner bisherigen Lieblingsbilder für dieses Jahr machen.

Ein bisschen Beifang in Form von einem Teichrohrsänger und (ich vermute) Fitis war auch dabei, die Fotos sind aber denke ich nichts besonderes geworden:

Dadurch ist mir klar geworden, dass ich auch in eigentlich für mich „bekannten“ Gebieten immer wieder die Augen bewusst aufmachen sollte um kleine und unbedeutend wirkende Stellen doch noch einmal genauer zu betrachten, auch wenn die letzten Jahre dort „noch nie was los war“. Im schlimmsten Fall habe ich ein paar Stunden darauf „verschwendet“ und habe nur das ein oder andere schöne Erlebnis gehabt, auch wenn es nicht für Fotos gereicht hat.